Wo Familienforschung in Pommern lebendig wird: drei ganz besondere Museen
Haben wir nicht alle schon einmal davon geträumt, einen Tag mit unseren Vorfahren verbringen zu können, vor 100 oder 150 Jahren? Dem Urgroßvater über die Schulter zu gucken bei der Feldarbeit oder in seiner Werkstatt. Der Urgroßmutter bei der Hausarbeit zuzuschauen und abends mit allen in der guten Stube zu sitzen. In Pommern gibt es drei wunderbare Orte, wo man diesem Traum mit relativ wenig Phantasie ganz nahe kommt.
Reisen muss man dafür in das „Karierte Land“. Wobei nicht das Land, sondern seine Häuser schwarz-weiß-kariert sind. Hier im Landkreis Stolp sind drei Museen entstanden, für die es sich lohnt, weit zu reisen.
Das Museum der Pommerschen Volkskultur in Swołowo
Swołowo, das frühere Schwolow, ist ein kleines Bauerndorf an der Straße von Rügenwalde nach Stolp. Ein Bilderbuchdorf. Karierte Häuser in allen Erhaltungszuständen, ein Dorfweiher, in dem die Frösche quaken, uraltes Kopfsteinpflaster. Das Muzeum Kultury Ludowej Pomorza w Swołowie ist so perfekt in den Ort integriert, dass ich es zunächst gar nicht finde. Am Rande des Dorfes sind Kasse und Hauptausstellungsgebäude mit dem Schwerpunkt Handwerk untergebracht. Ein weiterer Museumsteil, ein restaurierter Hof, befindet sich mitten im Ort. Für 18 Zloty steht einem das Paradies offen. Man kann durch die perfekt sanierten und liebevoll ausgestatteten Häuser streifen und das Landleben auf sich wirken lassen.
Viele Bereiche sind lebensecht inszeniert, durch große Fotografien im Hintergrund oder Puppen. Schade ist, dass das allermeiste nur auf polnisch erläutert wird. Bei den Schrifttafeln hilft Google Translate, ich war wirklich verblüfft, wie gut die Übersetzungen mittlerweile sind. Einfach Handy draufhalten, abwarten und später kann man sich den übersetzten Text sogar vorlesen lassen. Das hilft leider nicht bei den mündlichen Zeitzeugenberichten der polnischen Einwohner. Aber ist ja auch eine schöne Entwicklung: das Museum scheint sich in erster Linie an die Einheimischen zu richten, die etwas über die deutsche Vergangenheit der pommerschen Orte erfahren möchten – und es sind einige Menschen, die den Weg hierher finden. Überlaufen wirkt das Museum trotzdem nicht.
Ans Herz ging mir der restaurierte Hof der Familie Albrecht. Die Ställe werden von Tieren bewohnt wie vor 100 Jahren. Im Innenhof ein Misthaufen, Gänse schnattern der hingerissenen Besucherin entgegen, die Pferde lassen sich gerne und ausführlich kraulen, die Ziege stellt sich neugierig auf die Hinterbeine.
In der Scheune sieht es aus als seien die Arbeiter gerade nur kurz zur Mittagspause hinaus in die Sonne gegangen. Auch das Wohnhaus wirkt so als würden die Bewohner in ein paar Stunden von ihrer Arbeit zurückkehren. Hier klappt die Zeitreise für mich perfekt.
Auf einen gelungenen Besuch kann man nebenan im Restaurant Gospoda Swołowo mit einer Tasse köstlicher Gänsebrühe anstoßen. Um auf der Wiese hinter dem Haus dann gleich ein schlechtes Gewissen zu bekommen 🙂
Eher zufällig hatte ich mich für drei Nächte in Swołowo eingemietet. Mindestens eine Übernachtung empfehle ich dringend, um den Charme des Ortes voll aufzunehmen, die schönen Häuser ausgiebig zu betrachten, einen Abendspaziergang durch das Dorf zu machen und den Fröschen am Weiher beim Quaken zuzuhören.
Die Heringsfarm in Starkowo
Swołowo ist nur eine kleine Wanderung von Starkowo, früher Starkow, entfernt. Dort wurde der Bauernhof der Familie Hofmeister liebevoll renoviert. In der Zagroda Śledziowa dreht sich heute alles um den Hering.
Das kleine Museum nimmt den Besucher mit in den Alltag der Heringsfischer. Im Restaurant nebenan, bei schönem Wetter auch im Hof, hat man die Wahl unter mehreren Heringssalaten, die rustikal mit Pellkartoffeln serviert werden – lecker! Im alten Bauernhaus wurde ein Bed and Breakfast eröffnet, weit muss man nach dem Heringsschmaus also nicht gehen, falls man sich von der Fischeridylle nicht trennen möchte.
Das Slowinzische Dorfmuseum in Kluki
Museum Nummer drei befindet sich in der Nähe des Slowinzischen Nationalparks in Kluki, zu deutsch Klucken. Der Ort hat auch einen slowinzischen und sogar einen kaschubischen Namen – Kluki war der letzte Ort, in dem noch slowinzisch gesprochen wurde. Klucken war ein Fischerdorf, das dank der Restaurierung wiederauferstanden ist. Im Slowinzischen Dorfmuseum sind die Häuser reetgedeckt, Fischernetze und Torfziegel trocknen in der Sonne und Gänse streifen umher. Leicht hatten es die Menschen hier nicht, viele Monate im Jahr war es feucht und kalt, die Hütten der Fischer waren karg und Landwirtschaft musste natürlich trotzdem betrieben werden. Umso schöner präsentiert sich das Freiluftmuseum heute. Die Häuser und Außenanlagen sind mit großer Liebe fürs Detail ausgestattet worden. Die kleinen Felder innerhalb des Dorfes werden originalgetreu mit altem Gerät bewirtschaftet. Im Backhaus wird regelmäßig gebacken – mit etwas Glück bekommt man ein Stück knuspriges Brot in die Hand gedrückt und kann es auf einer sonnigen Bank vor einem der Fachwerkhäuschen genießen.
Durch die Lage am Nationalpark und unweit des Meeres ist hier schon mehr los als in Swolowo. Das hat aber was Gutes: viele Erläuterungen gibt es auch auf deutsch. Ist man früh genug dran, kann man im Anschluss an den Besuch noch Richtung Nationalpark fahren, den Leuchtturm von Czołpino, früher Scholpin, besteigen und den traumhaften Ostseestrand erkunden.
Familienforschende, die nach Hinterpommern kommen, sind auf der Suche nach ihrer eigenen, ganz individuellen Geschichte. Für jeden hat sie in einem anderen der vielen kleinen Dörfer und Städtchen ihren Ausgang genommen. Die Spuren der Vorfahren sind dort oft verblasst, die Häuser nicht mehr vorhanden oder in keinem guten Zustand. Aber in den Museen wird die Geschichte für uns alle wieder lebendig. Die Mühe und Liebe, die in ihre Gestaltung gesteckt wurde, hinterlässt ein wohliges Gefühl. Es ist dann doch ein ganz klein wenig so als würde man nach Hause kommen.
Es heißt „Familienforscher“. Nicht „Familienforschende“. Man benutzt das generische Maskulinum und spricht dadurch gleichzeitig beide Geschlechter an. Hört mit dieser albernen Sprachverhunzerei auf. Das ist unerträglich. Und übrigens: Ein Forscher ist auch nach Feierabend ein Forscher. Ein Forschender nur so lange, wie er forscht. Also nach Feierabend ist er kein Forschender mehr. Gendern ist nicht nur Unfug, sondern schafft Unklarheit. Dabei sollte Sprache klar und präzise sein.
Ich hoffe, mein Artikel hat Dir trotzdem Freude bereitet. In Sachen geschlechtergerechte Sprache vertreten wir offensichtlich unterschiedliche Positionen. Als Familienforscherin, Autorin und Betreiberin dieses Blogs werde ich mich – soweit es sich mit meiner Sprachästhetik verträgt – auch weiter um eine Wortwahl bemühen, die zum Ausdruck bringt, dass ich in meinen Texten Männer und Frauen mitgedacht habe.
Ja, im alten Klucken, seit 1945 Kluki, wird die Vergangenheit und Geschichte seiner einstigen Bewohner sehr lebendig und anschaulich präsentiert – das Dorf „an einem Ende der Welt“ ist immer eine Reise wert: https://www.facebook.com/lebakaschuben
Danke für den Link, sehr interessant!
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